Wie fotografiere ich etwas Durchsichtiges?
Was sich der Hobbyfotograf eigenartiger Weise immer wieder gern vor die Linse stellt, sind Gläser. Befüllt mit Rotwein, meist aber mit mehr oder weniger leckeren Cocktails. Wahrscheinlich, weil sie so schön bunt und plakativ sind und nahezu jeder aus den entsprechenden Zutaten etwas mixen kann.
Oftmals kommt dann aber das böse Erwachen, wenn klar wird, dass das Getränk ja in einem Glas gereicht werden muss. Und Glas folgt nun mal ganz eigenen Gesetzen, die denen der Fotografie diametral entgegenstehen.
Glas ist durchsichtig. Und wir sind es gewohnt Dinge zu fotografieren, die uns das Licht reflektieren und nicht einfach durchlassen und so tun, als wären sie nicht da.
Bevor wir nun also gleich mit dem Mixen anfangen, sollten wir erstmal versuchen, dem Glas diese Flausen auszutreiben. Das gelingt am ehesten mit einer Form des Effektlichts.
Nehmen wir mal unser leeres Glas in die Hand. Was sehen wir? Also erstes wahrscheinlich die Flecken, weil unsere Spülmaschine wieder nicht richtig gearbeitet hat. Also ist erst mal Nachspülen angesagt! Was sehen wir noch? Alles was dahinter ist, ein wenig verzerrt. Und wildes Spitzlichtgefunkel und ein paar lange Reflexe. Aha, da ist also doch was, was typisch Glas ist, aus Licht besteht und sichtbar ist. Und genau dort setzten wir an.
Das Grundlicht
Zunächst stellen wir unser Glas mal in ein etwas ruhigeres Umfeld, z.B. wieder in unsere Hohlkehle. Da unser Glas keine Farbe hat und auch nicht eingefärbt werden soll, nehmen wir diesmal einen neutralen Hintergrund. Wie wäre es mit grau?
Anfangen werden wir, wie immer mit dem Hauptlicht, also der Schreibtischlampe von oben, die wir wieder mit der Diffusionsfolie zum Flächenlicht machen. Viel Sinn, zumindest für das Glas, macht das zwar nicht. Aber immerhin gibt es schon mal seine Konturen preis und wir können zumindest ahnen, wo es ungefähr steht.
Außerdem haben wir dadurch ein gleichmäßiges Licht, das zumindest keine hässlichen Spitzlichter im Glas hervorruft.
Der Lupeneffekt im Glasboden und Fuß hängt von der Form, aber auch von der Qualität des Glases ab. Ich kann da gerade nur auf billiges Pressglas zurückgreifen.
Der gesteuerte Reflex
Also nächstes kümmern wir uns um kontrollierte Reflexe auf dem Glas. Spätestens hier kommen wir schon nah an die Grenzen unseres Studiolichts. Schließlich haben wir nur noch den Klemmspot zur Verfügung. Richtiger wäre hier ein Flächenlicht mit einer gleichmäßig ausgeleuchteten Plexiplatte.
Wir aber nehmen unseren Klemmspot und versuchen das Beste daraus zu machen, in dem wir ihn links vom Glas hinter einer Lage Butterbrotpapier aufbauen. Unser Butterbrotpapier sollte dabei so nah es der Ausschnitt erlaubt an das Glas herangebracht werden. Da sich die Glasform nach unten verjüngt, würde der Reflex sonst zu früh abreißen. Wie gleichmäßig unser Reflex ausgeleuchtet ist bestimmt der Abstand des Klemmspots zur Diffusionsfolie.
Seine Intensität sollte so eingeregelt werden, dass auch in den helleren Bereichen des Reflex noch Zeichnung ist. Schließlich wollen wir das Glas ja nicht wegbeamen.
Die Lichtkanten
Sieht, denke ich, schon ganz gut aus, wenn auch noch ein bisschen trist. Wir könnte ja noch versuchen die Konturen etwas zu betonen. Nur leider sind uns gerade die Lampen ausgegangen.
Zum Glück wissen wir aber, dass die ein oder andere Lampe auch durch Spiegel ersetzt werden kann. In diesem Fall nehmen wir Spiegelpappe (lässt sich als Klebefolie kaufen und nach Bedarf auf Pappe aufkaschieren) und schneiden uns lange schmale Spiegelstreifen. Die stellen wir rechts und links hinter dem Glas auf und richten sie so aus, dass sie sich das Licht unseres Reflexlichts fangen und in die Glaskanten spiegeln. Ist ein bisschen Fummelei bis die Kanten sauber durchlaufen. Aber wer hat behauptet, dass fotografieren einfach ist!
Die Belohnung
Wer sich bis hierher durchgebissen hat und zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist, der hat eine Belohnung verdient und darf sich jetzt auch gerne mal einen Cocktail genehmigen.
Na dann, zum Wohl!
Glasdarstellung unter Studiobedingungen
Natürlich sind Schreibtischlampe und Klemmspot hier wirklich nur Behelfsmittel. Um sauber abgegrenzte, gleichmäßige Reflexe auf ein Glas zu legen, empfiehlt sich schon etwas gehobeneres Equipment.
Ich habe mal im Archiv gekramt und dabei dieses Bild ausgegraben.
Der erste Unterschied zu meinem Workshopglas fällt sofort ins Auge. Bei diesem Glas handelt es sich um wirklich hochwertige Ware. Allein das macht es dem Fotografen schon einfach, wirklich saubere Kanten entstehen zu lassen.
Und natürlich ist auch der Lichtaufbau ein ganz anderer. Während das Workshopglas auf grauem Karton steht, steht dieses Glas vor einer Leuchtfläche. Das Prinzip, die Glaskanten zu finden und zu betonen ist aber das gleiche. Nur dürfen wir hier keine hellen Kanten setzen, sondern dunkle. Also stehen rechts und links statt der Spiegel schwarze Pappstreifen.
Und der Reflex ist mit einer Lichtbox natürlich gleichmäßiger zu setzen als mit Klemmspot und Butterbrotpapier.