anz einfach gesagt – soviel wie nötig. Zunächst aber sollte sich der Fotograf Nacharbeiten dadurch sparen, dass er im Studio sauber arbeitet. Fingerabdrücke oder Staub auf den Produkten lassen sich mit Pinsel, Mikrofasertuch und durch die Verwendung von Handschuhen vermeiden. So dass die Staub- und Kratzerretusche möglich klein ausfällt.
Wieviel Bildbearbeitung gehört in die Produktfotografie?
Ansonsten ist es aber sehr vom Produkt selbst, aber auch vom Fotokonzept abhängig, wie weit die Bilder noch zu „manipulieren“ sind. Vom Freistellen war hier schon mehrfach die Rede. Oder auch davon, dass zum Beispiel bei Armbanduhren, je nach Bildkonzept ganze Zeitmesser aus Einzelteilen zusammen gebaut werden.
Aus meiner Praxis würde ich schätzen, dass gerade mal 50% der Bilder, die hier entstehen, ohne große Nacharbeiten auskommen. Damit meine ich jetzt nicht die RAW-Entwicklung oder das Freistellen. Gemeint sind viel mehr „Bastelarbeiten“, um Dinge, die im Studio nur schwer oder auch garnicht zu realisieren sind, nachzuarbeiten. Oder auch Dinge, die von vorn herein darauf ausgelegt sind, im Computer erstellt zu werden. Auf ein paar Beispiele möchte ich hier eingehen.
Zuvor aber die Frage:
Muss ein guter Fotograf auch ein guter Bildbearbeiter sein?
Ich bin der Meinung ja! Zumindest müsste er um die Möglichkeiten wissen, die mit Hilfe der Bildbearbeitung machbar sind. Ob er sie nun selbst umsetzen kann oder nur den Dienstleistern, die sich auf Retuschen spezialisiert haben, das erforderliche Rohmaterial zur Verfügung stellt, ist egal. Das Einfärben von Textilien, wie im oberen Bild zu sehen, ist für den Retuschedienst ebenso eine Routinearbeit wie das Freistellen per Pfad. Es ist einfach nur zeitraubend und daher uneffektiv, wenn der Fotograf es selber macht. Anders, wenn es um die Erstellung des Ausgangsmaterial geht.
Das Kameraloch
Jeder, der sich in irgendeiner Form mit Produktfotografie befassen, kennen es. Selbst die, die den vermeintlich einfachen Weg gehen und im Lichtzelt bzw. dem Lightcube zu fotografieren versuchen. Gerade wenn es gilt glänzende runde Objekte zu fotografieren ist da immer die eine Stelle, an der das Produkt nicht glänzt. Ganz einfach deshalb, weil dort die Kamera steht. Das Kameraloch. Und das kommt garnicht so selten vor. Die meisten Parfumflakons haben runde spiegelnde Kappen auf dem Zerstäuber. Kochtöpfe, Flaschen, Getränkedosen etc., immer bleibt vorn ein schwarzer oder dunkler Strich stehen. Das ist in vielen Fällen auch okay, da optisch erklärbar und daher auch nicht falsch. Manchmal ist aber gerade in dem Bereich zum Beispiel auf einen Etikett etwas zu sehen, was für das Produkt wichtig ist. Bzw. es ist eben nicht zu sehen, weil es ins Kameraloch gefallen ist.
Typische Beispiel dafür sind Weinflachen. Winzer neigen dazu auf ihren Flaschenetiketten heißgeprägte Schriften zu verwenden. Also Schriften die Spiegeln. Zumindest dann wenn sie Licht reflektieren.
Da auf den Scheitelpunkt der Rundung die Spiegelung bzw das Licht abreisst ist kaum zu lesen, um welchen Wein es sich handelt.
Es gibt nun verschiedene Methoden das zu verbessern. Eine wäre, für die Lettern, die zu dunkel sind, eine Maske zu bauen, die dann mit der entsprechenden Farbe gefüllt wird. Solange die Bilder nur in geringer Auflösung benötigt werden ist das durchaus okay. Auch wenn dabei der Glitzereffekt verloren geht.
Ein anderer Weg, der den ich gegangen bin, ist eine zweite Aufnahme. Dafür wird die Kameraposition per Parallelverschiebung geändert. Die Perspektive bleibt dadurch weitestgehend erhalten, aber die Kamera verlässt den Bereich, der glitzernden Schrift. So lässt sich mit einem kleinen weißen Stück Papier dieser Bereich doch noch zum glänzen bringen. Zwar verdeckt der Aufheller dann den Flaschenboden. Aber da ich nur einen kleinen Flicken brauche, um ihn in die eigentlich Aufnahme einzusetzen, spielt das keine Rolle.
Hollowman-Fotografie
Hierbei handelt es sich um das Fotografieren von Bekleidung auf der Puppe, ohne dass die Puppe zu sehen ist. Sehr beliebt in der Modebranche. Bei Fotografen eher weniger, da verglichen zu dem was üblicherweise damit zu verdienen ist, sehr viel Zeit hineingeht. Sowohl für die Fotografie als auch für die Bildbearbeitung
Es gibt verschiedene Puppen, auch ohne Kopf mit verschieden tiefen Kragenausschnitten, mit kurzen und langen Armen, Mit Beinen oder nur als Torso. Es kommt aber oft zu Aufnahmesituationen, in denen Bereiche von der Puppe verdeckt werden, trotzdem aber zu sehen sein sollten. Hier wird, wie auch bei den Weinetiketten, gepatcht. Es entstehen als weitere Aufnahmen, bei denen das Kleidungsstück auf links gezogen auf die Puppe gebracht wird, um so die verdeckten Bereiche wie den Kragenausschnitt oder den Einblick in den Ärmel separat fotografieren zu können.
Auch dieses Patchen von Hollowman-Aufnahmen übernehmen gern externe Dienstleister. Bevor die aber mit ihrer Arbeit beginnen können, muss das Rohmaterial erst noch in Form gebracht werden. So ein T-Shirt zum Beispiel wird immer Falten werfen. Trotz bügeln, trotz dämpfen und obwohl es mit Klammern und Tape in Form gebracht wurde. Rechte und linke Seite werden nie gleich sein. Was aber auch nicht zwingend erforderlich ist, manchmal aber doch gewünscht wird. Bevor also gepacht und freigestellt wird, muss es erstmal verflüssigt, gezogen, verkrümmt und was auch immer werden. Auch hier hält die Bildberbeitung eine Menge Tools für bereit. Diese Vorarbeit ist besonders dann wichtig, wenn es eine Mastertrabbildung ist, die dazu dient, das Kleidungsstück in verschiedenen Farben abzubilden. Aber dazu später.
Wenn ich als Fotograf diese Vorbereitung selbst machen muss, dann kann ich auch gleich das Patchen und Freistellen übernehmen.
Produkte umfärben
Hier auch wieder das T-Shirt, aber bei vielen anderen Produktarten ebenfalls möglich. Selbst so radikal, dass ein rotes T-Shirt nicht nur andere Farben bekommen kann, sondern auch schwarz und weiß. Dazu gibt es verschiedenen Methoden, die sich je nach Farbe und Ausgangsbild unterscheiden.
Die Gründe, warum meist so gearbeitet wird und nicht jede Farbe neu fotografiert wird, sind vielfältig. Oft ist es so, dass Form und Falten bei allen Farben identisch sein sollen. Ausschlaggebend sind aber meist die Kosten. Von jeder Farbe ein eigenes Foto zu machen bedeutet auch, die ganze Form- und Säuberungsarbeiten wie auch das Patchen bei jedem T-Shirt in jeder Ansicht neu vorgenommen werden müsste
Bildmontagen
Was ist aber eigentlich so schwer daran, eine gelbe Flamme vor weißen Hintergrund zu fotografieren? Ganz einfach. Als weiß registriert ein Fotoapparat eine Fläche, in der die drei additiven Grundfarben Rot, Grün und Blau je zu 100% vorhanden sind. Vor Weiß lassen sich daher nur Dinge abbilden, die dunkler sind. Was aber auf ein Licht nicht zutrifft. Auch in so einem Fall lässt sich das Thema nur lösen, in dem man mit mehreren Aufnahmen arbeitet, die man dann in Teilen zu einer neuen zusammenbaut. Selbst wenn es noch so gut gelungen ist wirkt so etwas trotzdem falsch. Denn eigentlich weiß jeder, dass das so nicht geht. Wenn auch vielleicht nicht warum nicht.
Fazit zur Bildbearbeitung
Zumindest für meine Arbeit und die Erwartungen meiner Auftraggeber ist die Bildbearbeitung eine wichtige Ergänzung zur Studioarbeit. Das Wissen darum, was gutes Fotografieren gepaart mit guter Nacharbeit zu erreichen vermag, erweitert meine Möglichkeiten enorm. Und damit auch meinen Leistungskatalog für meine Auftraggeber.
Als ich vor 10 Jahren ein Buch zum Thema Professionelle Produktfotografie schrieb, wurde mir der Zusammenhang noch mal deutlich bewusst. Es geht darin rein um die Fotografie, das Thema Bildbearbeitung kommt darin eher als Randnotiz vor. Ich war daher gewungen, bei allen Bildern, die ich für das Buch erstellt habe, ohne Bildbearbeitung auszukommen. Es geht, aber es ist mühsam. Da ich das Fotografieren noch gelernt hatte als analog auf Großbilddiamaterial gearbeitet wurde, kannte ich diese Art von Studioarbeit noch, bei der alles auf den Punkt sitzen muss. Auch wenn es noch so lang dauert und noch so friemmelig ist. Trotzdem war ich bei den allermeisten Aufnahmen früher oder später an dem Punkt, von dem ich wusste, dass wenn ich jetzt auf den Rechner wechsel, geht es schneller und teils auch besser. Daher möchte ich die Bildbearbeitung nicht mehr missen.