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Was glitzert denn da?

hier mal eines der persönlichen Tutorials, wie es entsteht, wenn ich konkret um Hilfe gebeten werde. Vielen Dank dem Ratsuchenden, dass er zugestimmt hat, den Workshop aus dem geschlossenen in den öffentlichen Bereich zu verschieben.

Was glitzert denn da?

 

erst mal alles! Und das irgendwie. Oder auch nichts. Zumindest nicht dort wo es sollte. Was war geschehen?

 

Ich hatte gerade wieder Dienst am Notfalltelefon. Zwar wusste ich lange Zeit nicht, dass ich überhaupt so was habe, aber anscheinend ist es so. Denn immer öfter rufen frustrierte DSLR-Besitzer an, die erklärt haben möchten, warum ihre 1000€-Kamera keine 1000€ Bilder macht.

 

In dem Fall war es etwas anders. Der Mann am anderen Ende wusste um Spezifikation im Handwerk, um Präzision im Detail und dass der Besitz einer Kamera einen noch nicht zum Fotografen macht. Eben sowenig wie der Besitz eines Schleifsteins mich noch nicht zum Edelsteinschleifer macht.

 

Und damit sind wir auch schon beim Thema. Der Mann war Edelsteinschleifer. Und er suchte nun einen Weg, um

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Ametyst auf grauAmetyst auf Granit

 

 

 

 

 

 

 

 

zu kommen.

 

Dieser Weg ist viel simpler, als ich anfangs dachte. Denn ich sah mich bereits mit Glasfaserlampen und Bohrern hantieren, damit gezielt Licht durch diese winzigen Dinger geschickt werden kann, um sie zum Leuchten zu bringen. Um so erleichterter war ich, als mir, nennen wir ihn Herrn Steinschleifer, mitteilte, das der Trick in der Edelsteinschleiferei der ist, dass Tafel und Pavillon so zueinander geschliffen werden, dass das einfallende Licht im Stein wieder zurückgeworfen wird.

 

Häääähhhh? Tafel? Pavillon? Ich hörte schon den Zug von weitem anrauschen und verstand nur Bahnhof. Aber eigentlich doch logisch. Wie sonst könnte denn ein gefasster Stein sein Lichtspiel entfalten, wenn er dazu nicht das Licht, das von vorn durch die Tafel in den Stein fällt, hinten im Pavillon so reflektiert wird, dass es wieder zurückgeschickt würde.

 

So konnte ich also Bohrerchen und Lichtleitfasern wieder wegpacken und die Steinchen ganz entspannt auf irgendeinen Hintergrund legen. Wenn auch mit größter Vorsicht, Handschuhen und Pinzette. Denn Herr Steinschleifer hatte mich gewarnt, dass wenn die Steinchen auch nur aus geringer Höhe auf einen harten Untergrund fallen, dabei die Spitze des Pavillons beschädigt werden kann und damit der ganze Stein kaputt ist. Jetzt verstehen ich auch, warum!

 

Stattdessen holte ich das normale Fotoequipment wieder raus. Zwar kamen mir meine Studiokamera und meine Softboxen etwas überdimensioniert im Vergleich zu den kleinen Steinchen vor, aber ich hatte gerade nichts anders. Anfangs glaubte ich auch noch, mir durch den Einsatz der Studiokamera mit der Möglichkeit der Parallelverschiebung das Einstellen etwas einfacher machen zu können. Aber weit gefehlt! Denn das Zauberwort bei dem ganzen Thema heißt:

Symmetrie

Ohne viel über die Werkzeuge, die zum Edelsteinschleifen verwendet werden zu wissen, so kann ich mir doch vorstellen, dass sie auf höchste Präzision ausgelegt sind. Hier wird im µ-Meterbereich gearbeitet. Unser Fotoequipment mutet dagegen eher grobschlächtig an. Ich habe ja noch das Glück, von einem Säulenstativ zu arbeiten. Wehe dem, der so etwas vom Dreibein aus angehen muss. Zumal wir im Makrobereich arbeiten. Also mindestens in einem Abbildungsmaßstab von 1:1, wenn nicht größer. Damit multipliziert sich dann gleich nochmal jede Ungenauigkeit.

 

Vom Säulenstativ war nun schon die Rede. Ich habe mir, wie bereits auch schon gesagt, die Studiokamera darauf gesetzt. Was aber, und auch das habe ich schon erwähnt, keine Hilfe war. Da eine Parallelverschiebung das ganze Konstrukt aus der optischen Achse bringen und damit die ganze Arbeit von Herrn Steinschleifer für die Katz war.

 

Bei mir kam Folgendes zu Einsatz:

 

Zum Ausrichten und Reinigen:Handschuhe, Staubpinsel, Mikrofasertuch Pinzette.
Zum Beleuchten:Ein bis zwei Softboxen 40 x 40 cm, Kosmetikspiegel, Aufheller weiß
Zum Belichten:Spiegelreflexkamera, 140mm Makro-Brennweite, Kamerasteuerung und Vorschau am Computer

 

 

 

mittig

Alleroberstes Gebot:

 

Kamera und Licht müssen absolut symmetrisch zum Schliff aufgebaut werden. Schlimmer noch, Pavillonspitze, Tafelmitte und Brennpunkt des Objektivs müssen auf ein und derselben optischen Achse liegen.

 

Anders als bei der Begutachtung eines Steines den man in den Fingern hält und im Licht bewegt, um seine Reinheit und den Schliff beurteilen zu können, können wir im Foto nur einen einzigen Moment festhalten. Und dieser Moment kann nur der sein, der den vom Schleifer beabsichtigten Effekt am besten zeigt und in dem sich der symmetrische und saubere Schliff des Steins offenbart. Oder einfacher gesagt, wir fotografieren pillegerade von vorn.

 

 

 

Bis ich das erkannt hatte, haben ich zunächst mal selbst gegen diese Regel verstoßen, als ich mit den ersten Lichtstudien begonnen hatte. Meine Kamera hing deutlich zu tief, war damit nicht parallel zu Tafel und erst recht nicht lotrecht in der optischen Achse.

Die Aufnahmen, die dabei herauskamen, waren zwar sauber und ordentlich, hatten aber den Effekt von "hier stimmt was nicht"

 

Stein 1Stein 2Stein 3

 

 

 

Aber was? Da bis hier alles noch recht einfach war wollte ich es erst mal auf Herrn Steinschleifer schieben. Meine Kamera stand gerade und es reichte eine einzige Flächenlampe, die mittig über dem Stein hängend direkt auf das Objektiv aufsetzte, um sich sowohl direkt in die ein oder andere Facette einzuspiegeln als auch den Pavillon so mit Licht zu füllen, dass der Stein seine Symmetrie erkennen lässt. Was er aber leider nur bedingt tat.

 

Detail

Bei genauerem Hinsehen wird dann aber leider klar, dass nicht Herr Steinschleifer geschlampt hat, sondern ich. Zwar steht meine Kamera bis auf wenige Millimeter in der vertikalen Achse, dafür aber deutlich unterhalb der horizontale. Dann würde sich nämlich die Spitze des Pavillons in der zentralen Facette zeigen und nicht, wie hier, eine "Etage weiter drunter.

Den Stein nun etwas zu kippen oder einfach mit der Kamera höher zu gehen ist zwar ne Menge Fummelei, aber durchaus machbar. Blöd ist nur, dass dann die Kamera dort steht, wo im Augenblick noch unsere Lampe hängt. Kleine Ursache, große Wirkung.

Mit der minimalistischen Einlampen-Beleuchtung ist damit Essig. Um für die Kamera Platz zu machen, muss die Lampe soweit wandern, dass die es nicht mehr schafft, den Pavilion ausreichend mit Licht zu füllen.

 

 

 

Also das ganze wieder auf Null, Kamera in eine sowohl horizontal als auch vertikal zentrale Position gebracht und nun zugesehen, wie man dicht an der Kamera vorbei flächiges und vor allem symmetrisches Licht in den Stein bekommt. Ich habe mich für eine "Lichtzange" entschieden, bei der je eine 40 x 40 cm Softbox oberhalb und unterhalb der Kamera aufgestellt sind. Es ist sicher auch möglich, von rechts und links zu leuchten. Manchen Steinen täte es vielleicht auch gut, von oben, unten, rechts und links zu leuchten. Wichtig ist dabei nur, dass das Licht symmetrisch aufgebaut ist.

Das gilt dann auch für Spiegel und Aufheller, mit denen man versuchen kann, einzelnen Facetten noch eine Spiegelung zu verpassen, um mehr Trennung und Lichtspiel herauszuarbeiten.

 

Aufbau Steine

Detail 2

Kamera- und Lichtaufbau sind fast zu kompakt, um sie hier plakativ darstellen zu können. Die Anordnung und Größe der Lampen ist so auch nicht in Stein gemeißelt. Flacher geschliffene Steine brauchen womöglich kleinere Lampen, steil geschliffene größere oder mehr.

Tiefe Pavillons holen sich das Licht mehr aus Blickrichtung, während weniger tiefe es sich auch aus der weiteren Umgebung holen können.

 

Ebenso wie jeder Stein ein Unikat ist, so sollte sich auch die Arbeit des Fotografen nach den Anforderungen eines jeden Steins orientieren. Symmetrie ist dabei oberstes Gebot. Es oblieg einzig dem Schleifer selbst, beurteilen zu können, wo er die Symmetrie aufzubrechen versucht.

 

 

Aber keine Regel ohne Ausnahme

Wer den Platz, die Muße und Zeit hat, seine Steine aus verschiedenen Blickwinkeln zu fotografieren und so dessen Spiel mit dem Licht zumindest anzudeuten, so sei ihm das ungenommen.

 

Ametyst schräg

Der gleiche Amethyst, diesmal ein wenig aus der Achse gedreht, hat auch seinen Reiz. Allerdings bekäme man ohne vorher das symmetrische Referenzbild gesehen zu haben, einen völlig falschen Eindruck.

 

Ich würde auch dazu raten, bei solchen Perspektiven immer nur eine der Achsen zu verlassen, weil es ansonsten schnell wirr wird im Stein. Hier kann man wohl auch versuchen, mit verschiedenen Winkeln zu arbeiten, da sich mit jedem Millimeter Drehung das Erscheinungsbild des Steins komplett ändern kann.

 

Letztendlich beurteilen und entscheiden kann das nur der Schleifer selbst. Er allein weiß, wie sich seine Arbeit am besten darstellt.

 

 

 

 

Stein schrägStein 7Eine weitere Ausnahme bilden, zumindest für mich, nur in einer Achse symmetrisch geschliffene Steine. Zumindest bei dem Exemplar, das ich im Studio hatte, passierte bei der symmetrischen Einstellung nichts oder nicht viel.

 

Erst als ich ihn zu drehen begann zeigte sich "Leben". Auch hier kommt es auf Millimeter an. Und ich bin mir nicht sicher, mit dieser Perspektive die richtige gefunden zu haben.

 

Herr Steinschleifer hätte womöglich viel eher schon "stopp" gerufen.

 

 

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